Mittwoch, 19. Juni 2013

Manöver - Jurasprech

Behörden und Gewerbevertreter gelten als sachverständig. Die verjurifizierte Förmlichkeitssprache zwischen den einzelnen Stellen behindert die Kommunikation erheblich. Es wird hier nicht das Wort geredet Behördenvertreter zu duzen, aber es tut not Sachverhalte erstmal in normaler deutscher Sprache darzustellen. Manche Gewerbevertreter empfinden die innere Notwendigkeit juristisch zu argumentieren weil sie zu Recht die Befürchtung haben von der Behörde nicht ernst genommen oder angehört zu werden. Juristendeutsch ist bekanntermaßen verklausuliert und die einzelnen Paragraphen voller Bezüge auf andere Paragraphen. Die zugrundeliegenden Sachverhalte sind im allgemeinen einfach aber durch die Übersetzung in Juradeutsch, Juraverschachtelung, Juralogik sinken Verständnis und Arbeitsmotivation.

Folgender substantielle teils verjurifizierte Text der BTB-Taxivertretung (Berliner Taxibund - welcher auch noch  in Konkurrenz zu anderen berliner Gewerbevertretungen steht als zusätzlicher Obstruktionsfaktor) zeigt den Grad der Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Gewerbevertretungen und Behörden. Der Schriftsatz ist teils Verzweiflungsakt teils Pamphlet teils konstruktiver Aufforderungskatalog. Wahrscheinlicherweise wird er den Hausjuristen in der Behörde auf den Plan rufen, welcher im allgemeinen abschmetternde hinhaltende Antworten gibt und somit Konflikte (Gesetzesinterpretationen) verschärft und Schieflagen (Überkonzessionierung/Niedriglohn) perpetuiert.

Text ist ohne Datum wohl I. oder II. Quartal 2013, Zitat Anfang:

Erklärung des BTB zum neuen Taxentarif

Bei der Festsetzung von Beförderungsentgelten nach § 51 Abs. 3  PBefG, ist § 39 Abs.2 PBefG entsprechend anzuwenden. Grundsätzlich möchten wir darauf hinweisen, dass bei der Festlegung von Taxitarifen, nach  § 39 Abs. 2 PBefG das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten ist. An diesem Maßstab ist die „wirtschaftliche Untersuchung des Berliner Taximarktes zur Ermittlung eines angemessenen Anpassungsbedarfs des Beförderungsentgelts“, Berichte CNB vom 30.1.2013 und 15.4.2013 zu messen.
Dieser Bericht läßt keine Schlußfolgerungen über die Wirtschaftlichkeit des Berliner Taxengwerbes zu. Er ist weitgehend fehlerhaft und damit in keiner Weise verwendbar.
  1. 1.Eine Prognose über die Zahl der ohne Gefahr für die Funktionsfähigkeit des örtlichen Taxengewerbes höchstens zuzulassenden Taxen nach § 13 Abs.PBefG gibt es nicht. Soweit uns bekannt, sind in Berlin derzeit 7400 Taxikonzessionen erteilt und es liegen 700 Neuanträge vor. Dies wird die Erlössituation zukünftig erheblich beeinflussen.
  2. 2.Eine Prognose, wie sich auf der Nachfrageseite, das zur Verfügung stehende Berliner Taxibudget zukünftig entwickeln wird, gibt es ebenfalls nicht.
  3. 3.Die Auswertung gibt keine Auskunft, über die wirtschaftliche Lage des Taxengewerbes, ob sie gesund oder ruinös ist, und ob etwaigen Mißständen durch einen neuen Tarif abgeholfen werden kann. Damit alleindie vorgeschlagene Tariferhöhung jeder Überprüfbarkeit.
Das Gebot der Wirtschaftlichkeit nach § 39 Abs.2 PBefG bei der Festsetzung von Beförderungsentgelten nach § 51 Abs. 3  PBefG, ist unbeachtet geblieben.
Das Verfahren ist damit rechtlich fehlerhaft. 
Bei der Festlegung eines neuen Berliner Taxentarifes ist zu berücksichtigen, wie sich die Erteilung neuer Genehmigungen auf die Erlössituation altansässiger Unternehmen auswirken wird. Nach § 13 Abs.4  PBefG erfordert die Genehmigung für den Verkehr mit Taxen eine prognostische Einschätzung der Genehmigungsbehörde, über die Zahl der ohne Gefahr für die Funktionsfähigkeit des örtlichen Taxengewerbes höchstens zuzulassenden Taxen. Diese Prognose obliegt dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten und muß in das Verfahren einbezogen werden.
Diese Prognose wird offenbar im Einvernehmen mit der zuständigen Senatsverwaltung verweigert.
Ein Tarif muß die wirtschaftlichen Belange der Unternehmer berücksichtigen, denen es nur mit  ausreichenden  Erlösen gelingen kann, ihr Unternehmen so zu finanzieren, dass Fuhrpark und Betriebsorganisation auf dem Stand der technischen Entwicklung eingesetzt werden können. Zu den Kosten einer Verkehrsleistung gehören vor allem die laufenden Aufwendungen zur Abgeltung der Arbeit der Beschäftigten, für Treibstoff, sonstiges Verbrauchsmaterial und die Wartung der Fahrzeuge, sowie ein Unternehmerlohn zur Kompensation des unternehmerischen Risikos.
Wirtschaftlichkeit bedeutet, dass aus Erlösen  aufgewendete Kosten bestritten werden können. Als Kosten im Taxengewerbe sind unter anderem Personalkosten zu nennen.
Die Einführung eines Mindestlohns steht bevor. Bei der Festsetzung eines neuen Taxentarifes, muß dieser Berücksichtigung finden. Stundenlöhne im Taxengewerbe liegen derzeit um 5 Euro. Mit einem neuen Tarif müssen Unternehmen zumindest in die Lage  versetzt werden, aus Erlösen, Mindestlöhne in der Höhe von 8.50 Euro zahlen zu können. Andernfalls steht der Zusammenbruch des Taxengewerbes bevor.
Für uns von Interesse ist, wie sich Gewinne in Relation zu eingesetztem Kapital und aufgewendeter Arbeitsleistung verhalten. Wir haben darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, Arbeitszeiten, Stundenlöhne und Stundenumsätze darzustellen. Durchschnittliche Stundenumsätze müssen sich anhand von Fiskaltaxameterdaten leicht berechnen lassen. Personalkosten für Festbeschäftigte liegen bei 64% und Bruttoprovisionen bei 40% des Umsatzes.
Das Gewerbe ist nicht wirtschaftlich, wenn Kostendeckung nur mit Dumpinglöhnen erreicht werden kann. Beschäftigte müssen von ihrer Arbeit leben können. Ist dies nicht der Fall werden Transferleistungen bezogen. Der Anteil von Beschäftigten, die zusätzlich Transferleistungen beziehen, muss dargestellt und untersucht werden.
Es darf nicht sein, dass der Steuerzahler das Taxengewerbe indirekt subventioniert, weil die öffentliche Verwaltung ihrer Verpflichtung  zur Regulierung nicht nachkommt.
Die Senatsverwaltung ist aufgefordert festzustellen,
  1. 1.in welcher Höhe sich durchschnittliche Umsätze pro Stunde bewegen,
  2. 2.ob Kostendeckung auch bei einem Mindestlohn von 8.50 Euro zu erreichen sein wird,
  3. 3.wie hoch der Anteil von Beziehern von Transferleistungen ist,
  4. 4.was unter einem angemessenen Arbeitslohn zu verstehen wäre,
  5. 5.welche Zahl an Überstunden geleistet wird und geleistet werden muß und
  6. 6.wie es mit der Altersvorsorge aussieht.
Die Beantwortung dieser Fragen ist Grundlage, auf welcher, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe vorgeschlagen werden können. Hier bieten wir Mithilfe an.
Die Senatsverwaltung ist aufgefordert, den für die Festsetzung des konkreten Tarifs maßgeblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig zu ermitteln und eine Prognose über den möglichen Verlauf der weiteren Entwicklung der wirtschaftlichen Lage zu ermitteln.
Die Senatsverwaltung kommt ihrer öffentlichen Verpflichtung  zur Regulierung bisher nicht nach.
Der vorgeschlagene Tarif ist völlig beliebig, an der Erwerbslage ändert er rein gar nichts. Damit wäre es besser den Tarif überhaupt nicht zu erhöhen.
Der vorgeschlagene Tarif wird abgelehnt.
 
Zitat Ende.

http://www.berliner-taxibund.de/index.php/news-archiv/152-erklaerung-des-btb-zum-neuen-taxentarif

Es geht in Wirklichkeit nicht um die Feinabstimmung eines neuen Taxitarifs, sondern es geht um einen grundsätzlichen Diskurs zur Wirtschaftlichkeit bei 7400 erteilten berliner Taxikonzessionen. Damit ist die Senatsverwaltung überfordert, weil sie sich an das (veraltete) (Fehl-)Urteil des Verwaltungsgerichts gebunden sieht, das eine Konzessionsbegrenzung für grundgesetzwidrig hält, da das Recht auf freie Berufswahl verletzt würde.

Fazit: Es ist aufgrund der Verjurifizierung und Gerichtsurteilgebundenheit (Maulkorb) in einer Vielzahl der Fälle kein freies und vernünftiges Gespräch zwischen Bürger und Administration möglich. Das kann man als bürokratisch ansehen, halten solche Zustände wie im deutschen Taxigewerbe aber über viele Jahre an ist es ein Demokratiedefizit

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