Donnerstag, 20. Juni 2013

Manöver - Festlohn/Umsatzprovision

In Ermangelung wahrer Ursachenerkennung für den Niedergang des deutschen Taxigewerbes kommt es zu eigentümlichen Gesetzesanwendbarkeits-Interpretationen wie eine Veranstaltung vom 20.1.2012 in der "Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation" (BWVI) zum Thema "Fahrerentlohnung im Taxengewerbe" aufzeigt. Darüber berichtet der Hamburger Taxenverband e.V.:

Nachdem Werner einleitete, dass die Lohnhöhe des Fahrpersonals kein Thema für die Behörde ist, auch das Thema Mindestlohn nicht, stellte Herr Hellbach (AFA, Leiter für Grundsatzangelegenheiten des Arbeitsschutzes, Arbeitsschutzkonzepte und Arbeitsschutzmanagementsysteme) klipp und klar fest: Nach Prüfung des "Fahrpersonalgesetzes" und seines § 3 (Verbot von Akkordlöhnen für Fahrpersonal), verschiedener Gesetzeskommentare und auch der Entstehung und Begründung des Gesetzes hat sich dieses zuständige Amt folgende Rechtsmeinung gebildet: Die in Hamburg und anderen Städten gängige Praxis einer Entlohnung nach Umsatz-Prozenten ist rechtswidrig. Diese Hamburger Position wird, bei einer nicht genannten Ausnahme, von sämtlichen anderen Länder-Ämtern geteilt.

Einwände von verschiedenen Diskussions-Teilnehmern, die die Praktikabilität einer Festlohn-Regelung für Taxifahrer in Frage stellten, erteilte Herr Hellbach eine klare Abfuhr: Als Überwachungsbehörde diskutiere sie mit Betroffenen nicht über Gesetze. Eine Provisionzahlung (im weiteren auch gerne als "Akkordlohn" bezeichnet) ist mit dem "Gesetz über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen" (Fahrpersonalgesetz, FPersG) "nicht vereinbar".

Zitat Ende.

http://hamburgertaxenverband.de/htv/topics/zusammenfassender-bericht--provisions-loehne-fuer-taxifahrer-sind-rechtswidrig-.php

Taxifahren als einer Profession aus Logistik und Psychologie ist eine freie kreative unternehmerische Tätigkeit unabhängig ob sie als angestellter Fahrer oder Unternehmer ausgeübt wird. Anstatt rückhaltlosen Eingeständnisses seitens der Administration, daß ungezügelte Konzessionsfreigabe alleiniger Verursacher des Schiefstandes des deutschen Taxigewerbes ist, ersinnen einige Behördenvertreter aberwitzige Gesetzesinterpretationen.

Durch folgende Gesetzesmelange soll der freie Taxiunternehmergeist beschränkt werden:

Gesetz über das Fahrpersonal von Kraftfahrzeugen und Straßenbahnen
§ 1 Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für die Beschäftigung und für die Tätigkeit des Fahrpersonals von Kraftfahrzeugen sowie von Straßenbahnen, soweit sie am Verkehr auf öffentlichen Straßen teilnehmen. Mitglieder des Fahrpersonals sind Fahrer, Beifahrer und Schaffner. Sofern dieses Gesetz und die auf der Grundlage von § 2 Nr. 3 erlassenen Rechtsverordnungen Regelungen zur Arbeitszeitgestaltung treffen, gehen diese dem Arbeitszeitgesetz vor.
(2) Dieses Gesetz gilt nicht für die Mitglieder des Fahrpersonals
1. von Dienstfahrzeugen der Bundeswehr, der Feuerwehr und der anderen Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes, der Polizei und des Zolldienstes,
2. von Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, bis zu 2,8 t, es sei denn, daß sie als Fahrpersonal in einem unter den Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes fallenden Arbeitsverhältnis stehen.


Weiter:


§ 2 Rechtsverordnungen
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Zustimmung des Bundesrates
..
3. zur Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr oder zum Schutz von Leben und Gesundheit der Mitglieder des Fahrpersonals, Rechtsverordnungen
a) über Arbeitszeiten, Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Schichtzeiten,
b) über Ruhezeiten und Ruhepausen,
c) über die Ausrüstung mit Kontrollgeräten und ihre Benutzung sowie über die Gestaltung und Behandlung der Tätigkeitsnachweise und
d) über die Organisation, das Verfahren und die Mittel der Überwachung der Durchführung dieser Rechtsverordnungen,
e) über die Zulässigkeit tarifvertraglicher Regelungen über Arbeits-, Lenk-, Schicht- und Ruhezeiten sowie Ruhepausen und Fahrtunterbrechungen,
..
zu erlassen.

Weiter:
§ 3 Verbot bestimmter Akkordlöhne, Prämien und Zuschläge
Mitglieder des Fahrpersonals dürfen als Arbeitnehmer nicht nach den zurückgelegten Fahrstrecken oder der Menge der beförderten Güter entlohnt werden, auch nicht in Form von Prämien oder Zuschlägen für diese Fahrstrecken oder Gütermengen. Ausgenommen sind Vergütungen, die nicht geeignet sind, die Sicherheit im Straßenverkehr zu beeinträchtigen.
Weiter. Wikipedia zur Fahrpersonalverordnung:

Die deutsche Fahrpersonalverordnung (FPersV), die auf Grund von § 2 Nr. 3 FPersG erlassen wurde, enthält Regelungen für den Bereich der Güterbeförderung durch Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2,8 t und bis zu 3,5 t sowie den Bereich der Personenbeförderung mit Fahrzeugen, die für die Beförderung von mehr als neun Personen geeignet sind und im Linienverkehr mit einer Linienlänge bis zu 50 km eingesetzt sind.
Zitat Ende.

http://de.wikipedia.org/wiki/Fahrpersonalverordnung

Es scheint nun widrigerweise Aufgabe des findigen Juristen zu sein aus vorliegendem Gesetzesmaterial dem staunenden Bürger und Taxifahrer etwas Beschränkendes zu konstruieren, dergestalt, daß Umsatzbeteiligung, Umsatzprovision bzw. Provisionslohn schon seit Jahrzehnten rechtswidrig seien. Dem Lohnfahrer könne kein Unternehmerrisiko zugemutet werden und die Akkordentlohnung lade zur Nichteinhaltung der Straßenverkehrsordnung ein.

Es gibt jedoch bei den Fahrern verschiedene Fahrstile von gemächlich bis zügig, die nicht durch die Entlohnung verändert werden können. Der eine ist temperamentsbedingt eher ein BMW-Fahrer, der andere mehr ein Volvo-Kombi-Fahrer. Der eine arbeitet zu Zeiten wo viel los ist, der andere steht gerne Sonntags tagsüber am Stand vor einem Luxushotel und liest Romane aus. Entsprechend unterschiedlich ist der Verdienst. Der findige Jurist sollte hier keine Handhabe haben, den freien Taxler zum Verkehrsrowdy zu kriminalisieren und in leistungsmindernden Festlohn hineinzunötigen und die Mehrwagentaxiunternehmer bzw. Taxifahrzeugverleiher durch entmotivierte Fahrer in ihrer wirtschaftlichen Existenz zu gefährden.

Das Taxigewerbe in der Stadt hat auftragsbedingt einigen Leerlauf bzw. unfreiwillige Pausen und kann zu keinem Zeitpunkt mit eintönigen ermüdenden Autobahn- oder Linienverkehrsfahrten verglichen werden. Das Taxigewerbe hat Alleinstellungscharakter und kann nicht mit dem Güter- oder Linienverkehr vereinheitlicht werden.

Es ist freilich möglich pro forma zur Zufriedenstellung des findigen Juristen und einer Administration, die ihren Kardinalfehler freier Konzessionsvergabe nicht eingestehen will eine Regelung auszuarbeiten, die Festentlohnung vorsieht und dazu Zuschläge zu vereinbaren, welche in Relation zur Anzahl aller gefahrenen Touren und zum Umsatz ausgezahlt werden. Eigentlich eine Milchmädchenrechnung.

Die zwanghafte Anwendung des Fahrpersonalgesetzes gegen den Taxler stellte eine weitere Aushöhlung allgemeiner Rechtsethik dar, die bisher ihren Höhepunkt in der Uminterpretation des temporär konzessionsbeschränkenden Beobachtungszeitraums (PBefG § 13 Abs. 4) als eines die freie Berufwahl (Art. 12 GG) verletzenden Tatbestandes erfuhr. Letzteres kann aus der Sicht des Taxlers als Rechtsstaatsapokalypse gelten.





 




 



 

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